Zeit 16 by lenk

Zeit 16 by lenk

Autor:lenk
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-08-15T00:00:00+00:00


Ein gefährlicher Weg

Langsam ritten sie durch die Nacht. Mitunter war der Pfad so schmal, dass sich die Äste über ihnen berührten. Dann war die Dunkelheit nahezu vollkommen. Merlinde schien sich dennoch bestens zurechtzufinden.

Allmählich bekam Kim kalte Finger. Sie war froh, dass Kija vorn in ihrer Jacke saß und sie wärmte. Nur ihr Köpfchen schaute hinaus.

„Du siehst bestimmt tausendmal besser als ich“, wisperte Kim ihr zu. „Sei du mein Führer. Denn Merlinde traue ich immer noch nicht.“

Kim dachte nach. Tat sie der Händlerin Unrecht? Aber was wäre, wenn Merlinde eine falsche Botschaft überbrachte – zum Beispiel, dass Varus’ Legionen gar nicht auf Kalkriese zumarschierten und die Arbeiten einzustellen seien? Würde Brandolf auf sie hören?

Vermutlich, dachte Kim. Aber dann wären immerhin noch Leon, Julian und sie da und könnten zumindest versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass Merlinde log.

Plötzlich beschleunigte sich Kims Puls. Wenn Merlinde wirklich eine Verräterin war, dann müsste sie eigentlich dafür sorgen, dass es keine Zeugen für ihr heimliches Gespräch mit Arminius gab. Und diese Zeugen waren Leon, Julian und sie selbst …

In diesem Moment miaute Kija ganz leise. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und Kim spürte den schnellen Herzschlag des Tieres. Die Katze schien aufgeregt zu sein. Oder hatte sie Angst?

„Stimmt was nicht?“, fragte Kim leise.

Kija maunzte warnend.

Jetzt wurde der Weg wieder etwas breiter und Mondlicht fiel auf den schlammigen Boden.

Hinter Kim knackte es, und sie drehte sich um. Ein Schatten huschte vom Weg ins Unterholz. Kim hielt den Atem an. Was war das gewesen? Ein Tier oder ein Mensch?

„Merlinde, halt an!“, rief Kim nach vorn.

„Was hast du?“, fragte die Händlerin, sobald Kim bei ihr war.

„Ich glaube, dass uns jemand verfolgt“, sagte das Mädchen.

„So? Weißt du, was ich glaube, Kleine? Dass du dir vor Angst fast in die Hosen machst!“

Kim spürte Ärger in sich aufsteigen. „Nein, ich habe etwas gesehen, einen Schatten.“

„Unsinn“, sagte Merlinde. „Die Dunkelheit ist voller Schatten. Da war bestimmt nichts. In der Nacht sieht man manchmal Dinge, die nur im Kopf existieren. Die Furcht macht dein Herz schwer und zugleich verleiht sie deinen Gedanken Flügel. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin oft nachts draußen …“ Sie bedachte Kim mit einem merkwürdigen Lächeln. Dann wandte sie sich mit einer verächtlichen Handbewegung ab und ritt weiter.

„Und da war doch was“, sagte Kim trotzig zu ihren Freunden, sobald die Händlerin außer Hörweite war.

„Hoffentlich wird es bald hell“, erwiderte Julian nur.

Sie ritten schweigend weiter durch die Nacht. Irgendwann nickte Kim fast auf ihrem Maultier ein. Sie hatte jedes Zeitgefühl verloren.

Doch dann wich die Nacht allmählich und die Farbe des Himmels wechselte von Schwarz zu Dunkelgrau. Zwischen den Bäumen stieg Nebel auf.

„Ist es noch weit?“, fragte Kim und gähnte. Sie war durchgefroren und so müde, dass sie sich sogar nach ihrem müffelnden Quartier im Stall sehnte.

„Nein“, gab Merlinde zurück und räusperte sich. „Wir müssten das Dorf bald erreichen. Vorher kommt jedoch wieder das Moor.“

„Willst du da etwa auch bei diesem Nebel durch?“

Die Händlerin lachte kehlig. „Selbstverständlich, beim Donar!“

Mit einem Schlag war Kim hellwach. Wollte Merlinde sie in eine Falle locken und im Moor verschwinden lassen? Sie brachte ihr Maultier zum Stehen.



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